Vilimsky: "Ich respektiere jedenfalls die Meinung der Ungarn und Polen"


2021-07-05
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Der FPÖ-Politiker spricht sich gegen "Werte-basierte" Außenpolitik aus und stellt eine große Russland-Nähe der Partei in Abrede. Eine Fälschung der US-Wahl schließt er nicht aus.

This interview originally appeared on the website of Der Standard.

Photo by APA/Scherlau.

 

Harald Vilimsky (54) ist seit dreißig Jahren mit der FPÖ verbunden. Er begann als Pressereferent, war dann Bundesrat, Nationalratsabgeordneter und bis 2020 Generalsekretär. Seit 2014 ist er im EU-Parlament, wo er im Vorstand der Rechts-außen-Fraktion "Identität und Demokratie" sitzt. 

Die rechtsnationale bis rechtsextreme Prominenz in der EU hat sich am Wochenende in einer gemeinsamen Deklaration zu Wort gemeldet. Darunter die Parteien von Ungarns Premier Viktor Orbán, Italiens einstigem Innenminister Matteo Salvini und der französischen Oppositionellen Marine Le Pen. Mittendrin: die FPÖ. DER STANDARD hat mit deren EU-Delegationsführer Harald Vilimsky über seine außenpolitischen Pläne und die aktuellen Konflikte innerhalb der EU gesprochen.

 

STANDARD: Die FPÖ hat am Wochenende mit 15 anderen Parteien eine "Deklaration gegen EU-Zentralismus" unterzeichnet. Was soll EU-Zentralismus überhaupt sein?

Vilimsky: Zurzeit läuft ja die Konferenz über die Zukunft Europas, die schon im Jahr 2016 nach dem Brexit-Referendum hätte starten sollen. Damals legte die EU-Kommission ein Weißbuch mit fünf Szenarien vor, darunter auch die vollkommene Vergemeinschaftung mit einer zentralen EU-Regierung. Nach fünf Jahren Stillstand ging die Konferenz jetzt los – und wir bringen uns mit dieser Deklaration ein, um ein Gegengewicht zur drohenden Zentralisierung abzubilden.

STANDARD: Die Deklaration vereint Parteien zweier Fraktionen, Ihrer "Identität und Demokratie" sowie der "Europäischen Konservativen und Reformer". Könnte da etwas zusammenwachsen?

Vilimsky: Wir prüfen nun, inwiefern diese Kooperation nicht auch auf Ebene des EU-Parlaments formalisiert werden kann. Es ist ja schon geraume Zeit Thema von Verhandlungen, eine große Fraktion der EU-kritischen Kräfte zu formieren. Wir wollen es schaffen, dann die zweitgrößte Fraktion im EU-Parlament zu werden.

STANDARD: Aber in welchen Bereichen ist es sinnvoll, EU-weite Regelungen zu treffen, in welchen nicht?

Vilimsky: Überall dort, wo Staaten Dinge nicht mehr national entscheiden können, soll man die supranationale Ebene aufsuchen und dort Konsens finden. Aber man nehme die Außenpolitik: Auf europäischer Ebene ist sie eine nicht existente bis lächerliche Angelegenheit.

STANDARD: Woran liegt das?

Vilimsky: Aufgrund der völlig unterschiedlichen Interessenlagen der Mitgliedsstaaten und ihrer historischen Verstrickungen findet sich in den wenigsten Bereichen ein Konsens. Finde ich den aber nicht, werde ich international nicht ernst genommen. Daher ist die Frage, inwieweit ich für die Ursprungsidee der EU, nämlich Frieden, Freiheit und Wohlstand zu schaffen, oberlehrerhaft alle Vorgänge in allen Staaten der Welt kommentieren muss.

STANDARD: Von einer "Werte-basierten" Außenpolitik der EU, wie sie etwa SPÖ-Fraktionsvorsitzender Andreas Schieder im STANDARD-Gespräch anpries, halten Sie also nichts?

Vilimsky: Wo setzt die EU ihre Werte durch? Und welche sind das überhaupt? Wenn sie etwa wirtschaftliche Deals mit China abschließt, trotz der Menschenrechtsverletzungen dort? Die Außenpolitik ist die Durchsetzung von Interessenlagen, und es ist nicht Aufgabe Brüssels, einen EU-Wertekanon – den auch niemand durchdefiniert hat – auf alle Staaten anzuwenden. Und zwar bei manchen sehr stark, bei anderen, wo es womöglich nötiger wäre, eher weniger bis gar nicht.

 

STANDARD: Was kann denn konsensual erfolgen?

Vilimsky: Eine wichtige Aufgabe wäre es, die Grenzen Europas zu schützen – und dort, wo Krisenherde sind, vor Ort zu helfen. Aber beides passiert nicht. Solange derartige Migrationsströme stattfinden, kommt es zu permanenten Nachzieheffekten mit noch mehr Migration. Viele daraus resultierende Probleme sind ja tagaus, tagein in den Medien beschrieben. Ein anderer Wunsch für einen internationalen Konsens: wenn es um die Rechte von Europäern in der Welt oder auch um Reisebestimmungen im Interesse der Unionsbürger geht.

STANDARD: Bezüglich Schutz von EU-Bürgern müsste Ihnen ja die erzwungene Landung eines Fluges in Belarus, der Richtung EU unterwegs war, sauer aufstoßen?

Vilimsky: Ja und nein – ja dann, wenn man sich in die Tiefe eines Falles hineingearbeitet, die Geschichte umfassend betrachtet und eine politische Meinung dazu gebildet hat. Generell aber nein, wenn man immer nur mit den Wölfen heult, kaum Kenntnis hat und dann irgendwelche Resolutionen mit Verurteilungen verabschiedet.

STANDARD: Auch innerhalb der EU wollen dutzende Mitgliedsländer Werte durchsetzen, zum Beispiel rund um das LGBTQI-Gesetz in Ungarn. Wie haben Sie das miterlebt?

Vilimsky: Ich halte das für den Anfang vom Ende eines gemeinsamen Denkens. Aus meiner Sicht sollte man in der EU das Gemeinsame und nicht das Trennende suchen. Ganz Osteuropa hat ein anderes Mindset, was zum Beispiel gleichgeschlechtliche Liebe und die Rechte der LGBTQI-Community anbelangt. Ich glaube, dass sowohl die Ungarn als auch die Polen sehr respektvoll mit all ihren Bürgern umgehen. Es ist aber die Frage, wie schrill die Rechte mancher Gruppen in der Öffentlichkeit postuliert werden sollen. Ich respektiere jedenfalls die Meinung der Ungarn und Polen, was diese Fragen anbelangt.

STANDARD: Sie haben ja gemeinsam mit dem damaligen FPÖ-Chef Norbert Hofer das "M7"-Projekt angestoßen, das ehemalige Länder der Donaumonarchie enger aneinander binden sollte. Wie steht es darum?

Vilimsky: Das war eine gute Idee und das Steckenpferd von Hofer und seinem außenpolitischen Berater Norbert van Handel. Es wäre natürlich interessant, so eine Visegrád-plus-Geschichte zu schaffen und gut vernetzt im mitteleuropäischen Kerngebiet zu sein. Ich glaube, dass die hoffentlich entstehende neue Fraktion im EU-Parlament ein Schritt dorthin sein könnte. Auch auf bilateraler Ebene wollen wir zum Beispiel Richtung Polen unsere Beziehungen verbessern.

STANDARD: Ein Stolperstein könnte da die nachgesagte Russland-Nähe der FPÖ sein?

 

Vilimsky: Im Zuge der Verhandlungen über diese Allianz habe ich klargemacht, dass man dem nicht auf den Leim gehen dürfe. Wir verhalten uns neutral: Ich hatte etwa auch Einladungen ins Weiße Haus, saß am kleinen Tisch des US-Verteidigungsministers im Pentagon, war oft in den USA und habe auch Beziehungen auf Ebene des Kongresses. Es ist ja logisch, dass man beispielsweise nicht mit dem US-Verteidigungsminister oder der Europa-Direktorin des National Security Council über Sicherheitspolitik parlieren darf, während man als russischer Spion qualifiziert wäre.

STANDARD: Wobei: Russland und Trump …

Vilimsky: ... da sind wir jetzt schon im Bereich der Fiktion, aus meiner Sicht.

STANDARD: Wie ist denn der Status bezüglich des Kooperationsvertrags mit der Putin-Partei Einiges Russland?

Vilimsky: Das ist nicht das richtige Wort, es war ein Memorandum of Understanding. Man wollte einen Austausch von Jugendlichen, Lernprogramme und so weiter aufbauen. Es war ein Zeichen des Wohlwollens, das zu unterschreiben, aber es gab dann nie wirklich eine konkrete Aktion. Ich habe immer gesagt, dass wir so etwas auch mit den US-Republikanern parallel abgeschlossen hätten.

STANDARD: Dennoch sind die Russland-Avancen der FPÖ nicht zu übersehen.

Vilimsky: Man muss die Russland-Geschichte der FPÖ aus der Historie heraus verstehen. Wir haben immer versucht, zu den Russen, den Amerikanern und den Chinesen eine gute Gesprächsebene aufzubauen. Wir wollten die FPÖ präsentieren, die ja jahrelang in einer rapiden Wachstumsphase war. Anfangs wurden wir von den US-Amerikanern fast ignoriert – mittlerweile tausche ich mich regelmäßig mit Vertretern der US-Botschaft aus. Ich war meines Wissens auch einer der wenigen österreichischen Politiker, der im US-Außenministerium beim Special Envoy for Holocaust Issues einen Termin mit einem sehr guten Gespräch hatte. So baut man das langsam auf. Bei den Chinesen dauerte es auch, eine Gesprächsebene zu etablieren, aber es gipfelte darin, dass wir 2017 offiziell in Peking eingeladen waren. Wir wollen aber allen gegenüber neutral bleiben und einen positiven Gesprächsdraht haben.

STANDARD: Glauben Sie, dass sich die US-Beziehungen der FPÖ mit dem neuen Präsidenten Joe Biden verschlechtern – und glauben Sie wie sein Vorgänger Donald Trump, dass die US-Wahlen gefälscht waren?

 

Vilimsky: Ich kann nicht aus knapp 8.000 Kilometer Distanz sagen, ob das Wahlbetrug war. Aber mir ist sauer aufgestoßen, dass die Amerikaner ihr heiliges Recht auf "Free Speech" so hochhalten und dann die großen Social-Media-Konzerne Trump einfach abdrehen. Das geht nicht in einer Vorzeigedemokratie. Man hat schon deutlich gemerkt, wie sich viele Netzwerke gegen Trump einhängen, das war offensichtlich.

STANDARD: Trauern Sie Trump nach?

Vilimsky: Ich habe immer gesagt, ihn aus zwei Gründen gegen Hillary Clinton unterstützt zu haben: Er hat sich dafür ausgesprochen, dass sich die USA in ihrer Rolle als Weltpolizist zurückziehen und die "Politik der Kriege" nicht fortsetzen. Das hat sich ja dann bewahrheitet, die Einsätze sind massiv zurückgefahren worden. Eines der schlimmsten Dinge war für mich, als George W. Bush und Tony Blair die Welt belogen und den Irakkrieg begonnen haben. Das andere, was ich an Trump gut fand, war, dass er die Globalisierung zurückdrängen wollte. Was er sonst gemacht hat? Rekordwert für Dow Jones, Höchstbeschäftigung und niedrigste Arbeitslosigkeit. Von Reagan über Trump bis Biden. US-Präsidenten sind mitunter illustre Personen. Aber für uns hat sich bei Trump die Möglichkeit ergeben, offener empfangen zu werden, als es jetzt unter einer Biden-Administration der Fall sein dürfte.

(Fabian Schmid, 5.7.2021)

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