Wie Russland und China die Politik der EU manipulieren wollen


2021-08-09

Auch Österreich ist ein Einfallstor für Interventionen, wie nicht zuletzt Putins Besuche zeigten.

This article originally appeared on the website of Der Standard.

Merkwürdige Kongresse mit obskuren Teilnehmern auf der einen; große Events mit Staatschefs, bei denen Milliardenbeträge verteilt werden, auf der anderen Seite: Die Methoden, mit denen Russland und China Einfluss auf die europäische Politik erlangen wollen, unterscheiden sich stark. Gemeinsam ist ihnen aber ein Ziel: die Schwächung des europäischen Zusammenhalts, um selbst mehr geopolitische Macht zu erlangen.

 

Der ungarische Thinktank Political Capital hat gemeinsam mit Partnern aus sechs zentraleuropäischen Ländern – darunter DER STANDARD für Österreich – das Abstimmungsverhalten von EU-Abgeordneten auf ihre Haltung zu autoritären Regimen untersucht. Im Ergebnis zeigt sich eine breite Allianz gegen demokratiefeindliche Tendenzen in Russland und China. Dieses Bündnis von sogenannten "Integrationisten" setzt sich primär aus Sozialdemokraten, Konservativen und Liberalen zusammen. Diese Fraktionen kämpfen prinzipiell auch für eine stärkere gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der EU.

Russland-Politik als Hürde für gemeinsame rechte Politik

Rechts und links außen ist das anders, wenngleich sich das Abstimmungsverhalten dort nicht über einen Kamm scheren lässt. Es zeigen sich beispielsweise deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsparteien: Die polnische PiS tritt scharf gegen Russland auf, will jedoch keine gesamteuropäische Außenpolitik. Rechtsaußenparteien wie die Lega oder Fratelli d’Italia verurteilen zwar China, zeigen sich aber deutlich russlandfreundlicher.

Dem steht wiederum der Block der "vermeintlichen Pazifisten" gegenüber, zu dem auch die FPÖ oder die linke griechische Syriza zu zählen ist. Teils wird mit dem EU-Mainstream abgestimmt, aber oft auch darauf verwiesen, dass die USA oder die Nato ähnlich agieren wie autoritäre Staaten. Keinerlei Unterstützung im Kampf gegen autoritäre Regime gibt es beispielsweise von der AfD oder dem französischen Rassemblement National.

Die FPÖ und Moskau

Woran liegt die starke Beziehung zwischen Russland und der FPÖ, die Ende 2016 sogar zu einem "Memorandum of Understanding" mit der Putin-Partei "Vereintes Russland" führte? Im Gespräch mit dem STANDARD verwies EU-Delegationsführer Harald Vilimsky darauf, dass sich die FPÖ um weitreichende Kontakte ins Ausland bemüht habe. Die USA und China seien anfangs aber schwer zu erreichen gewesen, sagte Vilimsky sinngemäß. Mit Russland klappte es offenbar besser: Die regelmäßigen Kontakte ab der Übernahme der Partei durch Heinz-Christian Strache im Jahr 2005 sind gut dokumentiert; weltweite Aufmerksamkeit erreichte zuletzt im Jahr 2018 die Hochzeit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl, die der russische Präsident Wladimir Putin besuchte.

Die vermeintliche Russland-Nähe der FPÖ ist jedenfalls eine Hürde bei der Bildung einer neuen Fraktion, der auch die polnische PiS angehören soll. Hier müsse man noch "Missverständnisse" ausräumen, sagte Vilimsky. EU-weit betrachtet zeigt sich: Je näher einzelne EU-Mitgliedsstaaten geografisch zu Russland liegen, desto schärfer wird ihre Rhetorik gegenüber Moskau.

Gute Kontakte nach Belarus

Berührungsängste mit Russland hat die österreichische Politik aber per se nicht. Das zeigt sich auch daran, dass sich prominente österreichische Ex-Politiker in Aufsichtsräten russischer Unternehmen finden: etwa Altkanzler Christian Kern (SPÖ) oder Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Auch zum belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko pflegte die heimische Politik als Vorreiterin in Europa Kontakte, bevor die Demonstrationen gegen dessen Wahlfälschung zu einer Eskalation der diplomatischen Beziehungen führten. Das resultierte in guten Wirtschaftsbeziehungen zu Belarus, die später bei der Frage der Sanktionen eine differenzierte Haltung der heimischen Regierung auslösten.

 

Im EU-Parlament zeigt sich jedenfalls bei der Allianz aus Volkspartei, Liberalen, Grünen, Sozialdemokratie und "Konservativen und Reformern" ein stabil Russland-kritisches Abstimmungsverhalten. Die Rechtsparteien schneiden auf dem "Kreml-kritischen Score" mit etwas mehr als 30 Punkten hingegen schwach ab, die Linken mit weniger als 30 Punkten noch deutlicher. Regelmäßig wiederholen Abgeordnete dieser Fraktionen auch russische Narrative in Plenardebatten im EU-Parlament. "Man spürt das bei jedem politischen Thema. Wenn da nur ein Funken von Kritik an Russland geäußert wird, meldet sich sofort jemand und sagt: 'Nein, nein, so ist das nicht'", sagt der rote Delegationsführer Andreas Schieder zum STANDARD. "Die russische Seite veranstaltet ja Kongresse, bei einem haben wir damals als österreichisches Parlament teilgenommen. Da war eine Delegation dort, ich war dort, Reinhold Lopatka von der ÖVP, ein FPÖ-Außenpolitiker – und plötzlich waren mehrere andere Freiheitliche auch dort. Da waren sonst viele AfDler und Altkommunisten – eine schwierige Mischung", erzählt Schieder.

China tut sich schwerer

Recht vereint sind die EU-Abgeordneten hingegen in ihrer Kritik an China. In einem "China-kritischen Score" schnitten Liberale, Europäische Volkspartei, Sozialdemokratie, Grüne sowie die Fraktion der "Konservativen und Reformer" mit mehr als neunzig Punkten ab. Aber auch die rechte Fraktion für Identität und Demokratie zeigt sich hier mit einem Score von über sechzig Punkten resistent gegenüber autoritären Einflüssen. Anders ist das bei "Die Linke", die weniger als fünfzig Punkte erhielt.

Auch der chinesische Einfluss in Österreich hält sich in Grenzen, wenngleich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an der Eröffnung der Zentrale der International Bank of China (ICBC) teilnahm und die Stadt Wien dem chinesischen Botschafter ein Ehrenzeichen verlieh. Bessere Verbindungen in Mitteleuropa gibt es von China nach Bulgarien, wo die Sozialistische Partei sehr China-freundlich agiert. Als Gefahr wird das 16+1-Format gesehen, das Mittel- und Osteuropa mit chinesischen Investitionen fluten will. "Ich habe mehrfach deponiert, dass wir nur dann ein Investitionsabkommen mit China abschließen, wenn es kein 16+1-Format mehr geben wird", sagte der türkise EU-Abgeordnete Lukas Mandl im STANDARD-Gespräch.

Einstimmigkeitsprinzip soll fallen

Wohin soll sich die EU entwickeln, um sich stärker gegen derartige Einflüsse zu rüsten? Der Thinktank Political Capital hat hier eine Reihe von Empfehlungen aufgestellt: Das Einstimmigkeitsprinzip in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Gasp) verlangsamt schnelle und effektive Handlungen der EU. Für Reformen zeigten sich hier auch Schieder und Mandl offen. Auch EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) will die EU-Zukunftskonferenz dazu nutzen, Alternativen zu überlegen.

Political Capital empfiehlt beispielsweise, eine Form von Abstimmung per qualifizierter Mehrheit einzuführen. Eine Möglichkeit wäre es, Mitgliedsstaaten zur Enthaltung statt zur Blockade von einzelnen Aktionen zu bewegen. Mitteleuropa könnte im Kampf gegen autoritären Einfluss auf die EU eine wichtige Rolle spielen, wenn die westlichen Mitgliedsstaaten stärker gegen Korruption und antidemokratische Tendenzen vorgehen. Ebenso wichtig ist es, gesellschaftliche Initiativen zu stärken, um Einflussnahme auf Wahlen zu verhindern. Ein wichtiges Schlagwort ist hier Transparenz, um "trojanische Pferde" offenzulegen, die im Sinne außereuropäischer Interessen agieren.

(Fabian Schmid, 9.8.2021)

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